The Big Book of Pussy 3D
Story:
In seiner Verlagssparte Sexy Books publiziert Taschen Akt-Bildbände und andere erotische Bücher. Teil davon ist die vom Verlag selbst als Reihe über die Anatomie der (Wol-)Lust betitelte Buchserie, zu denen die Verkaufsschlager "Big Book of Breasts", "Big Penis Book", "Big Book of Legs" und dem "Big Butt Book" gehören. Eine Auswahl davon ist als in 3D konvertierte Neuauflage erschienen. Darunter dieser sich mit dem weiblichen Intimbereich beschäftigende Band "The Big Book of Pussy 3D", für den bekannte Abbildungen der Standardausgabe, aber auch ausgewählte neue Bilder verwendet wurden.
Für die 3D-Aufarbeitung wurden eigens Spezialisten verpflichtet, die ein hervorragendes Ergebnis vorlegen. Der räumliche Effekt verleiht den Bildern eine gänzlich neue Ästhetik und macht die Beschäftigung mit den 220 Buchseiten zu einem spannenden Zeitvertreib. Vor allem auch weil die Abbildungen Dokumente ihrer Entstehungszeit sind und sich nahezu gänzlich von moderner Akt- und Erotikfotografie unterscheiden. Deshalb hat dieser Band einen hohen künstlerischen Wert und ist niemals eine pornografische Ansammlung explizit-freizügiger Darstellungen des weiblichen Geschlechts. Das Vorwort der Autorin erklärt die (kultur-)wissenschaftlichen, biologischen sowie kunsthistorischen Fakten und Zusammenhänge rund um die explizit-freizügigen Abbildungen und deren Inhalte. Das wirkt nicht selten unglaublich bizarr und sorgt für neue Perspektiven und ein erweitertes Verständnis dessen, worum es hier geht.
Meinung:
Manche mögen sich fragen, was ein Buch mit dem durchaus aufreizenden, wenn nicht sogar provokanten Titel "The Big Book of Pussy" außer freizügigen Bildchen schon zu bieten haben kann. Diesem Vorurteil kommt Dian Hanson, Taschens Spezialistin wenn es um nackte Tatsachen und den Bereich südlich des Bauchnabels geht, bereits auf den ersten Seiten ihres Bildbandes gegen und widerlegt die Annahme, es könne sich nur um Pornographie und unsittliche Fotos handeln, die da hinter dem Buchdeckel auf den Betrachter warten.
In ihrem einführenden Text - dreispurig auf Englisch, Deutsch und in Französisch dreispaltig über die ersten 24 Seiten verteilt - zeigt Hanson ganz schnell, dass hinter dem Cover weitaus mehr steckt, als aufreizende Bilder (wenn diese denn überhaupt als solche funktionieren, entstammen sie doch einer anderen Zeit, mit anderen ästhetischen Idealen und vermögen es gerade deshalb, so viel mehr zu zeigen, als nur Sinne und Triebe anzusprechen). Hanson beschäftigt sich mit der historischen Bedeutung des weiblichen Geschlechts in diversen früh- und neuzeitlichen Kulturen. Darstellungsformen und Bedeutungen werden vorgestellt. Im weiteren Verlauf ihres Textes kommt die Autorin zu einem spannenden medienwissenschaftlichen Teil, indem sie die Historie von Fotografie und anderer bildhafter Darstellung des weiblichen Schambereichs erklärt und nachzeichnet. Und weil das Buch als 3D-Titel sich eben auf die dreidimensionale Erscheinung der Abbildungen fokussiert, erklärt die Autorin detailreich die technische Geschichte von 3D-Fotografien und -Filmen, die keineswegs eine Erscheinung der modernen digitalen Welt sind, sondern bereits zu Entwicklungszeiten von Fotografie und Filmtechnik ihre Ursprünge hat.
Weitere Informationen zu gesellschaftspolitischen oder kulturwissenschaftlichen Bedeutung, wirren und irren Mythen und religiösen Ansichten folgen. Es ist gelinde gesagt bizarr und teilweise schier unglaublich, welche Wichtigkeit der Bereich jenseits der Gürtellinie seit jeher auf den Menschen hatte und in welchen Formen und Arten die Auseinandersetzungen stattgefunden haben und noch immer stattfinden. So liefert Diana Hanson einführender Text A partial History of Pussy and 3-D viele erhellende Informationen, aber auch Denkanstösse, bevor es mit dem Bildteil losgeht. Eine reine Lustbetrachtung der Bilder ist damit kaum noch möglich, denn Hanson gereichte Analysewerkzeuge beginnen bereits mit den ersten ganzseitigen Abbildungen vor dem inneren Auge des Betrachters ihre Arbeit.
"The Big Book of Pussy" enthält mehr als 110 Abbildungen. Die meisten davon im ganzseitigen Format. Die Bilder sind durchweg schwarzweiß gehalten, die abgebildeten Körper von roten und blauen Linien umschlungen, die bei der Betrachtung unter Verwendung der beigefügten 3D-Brille (eine Papierbrille mit einer roten und einer blauen Seite aus eingefärbter Folie) dreidimensional wirken. Dieser Effekt funktioniert erstaunlich gut. Die Ruhe des Bildes lässt dem Auge die nötige Zeit, sich auf das zu Sehende zu konzentrieren. Erstaunlich, wie viel mehr eine Aufarbeitung dieser Art dem ohnehin schon sehenswerten Band noch an Mehrwert gibt.
Jenseits von heutigen Standards der Ästhetik knipsen die Fotografen was das Zeug hält. Das hat aus heutiger Sicht eine gänzlich eigene Aura. Das Abgebildete ist dabei nicht immer schön in dem Sinne, wie man sich ein derartiges Buch vorzustellen hat. Die Fotos sind immer auch Zeitdokumente und entsprechen den Darstellungsweisen und Standards ihrer Ära. Auch wenn die Abbildungen nicht zu Analysenzwecken erschaffen wurden, sondern um die Gelüste des Betrachters anzuheizen, vermögen sie ersteres in besonderem Maße.
Fazit:
The Big Book of Pussy 3D ist für Freunde von Aktfotografie und diejenigen, die sich mit deren Bedeutung und Stellenwert des Bildes aber auch weitergreifenden Sachverhalten auseinandersetzen, eine lohnenswerte Publikation. Hanson versteht es in ihrem informativen wie vielseitigen Vorwort hervorragend, auf die einzelnen Aspekt des Buchthemas einzugehen. Die enthaltenen Bilder zeigen weitaus mehr als explizit und aufreizend entblößte Geschlechtspartien. Gemeinsam mit den gereichten Informationen wird der Band seinen Ansprüchen gerecht. Ein Dokument und Kunstwerk, das es so nur selten auf dem Markt gibt.
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