Die Frau auf der Treppe
Story:
Mehr als 40 Jahre sind vergangen, seitdem das Gemälde "Frau auf der Treppe" verschwunden ist und mit ihm Irene, die Frau, die dafür Modell stand. Als das Meisterwerk unerwartet in einer Galerie in Sydney wieder auftaucht und zufällig vom Ich-Erzähler, einem Frankfurter Juristen, entdeckt wird, schaltet dieser einen Privatdetektiv ein. Dieser stöbert die mysteriöse Frau in einer kleinen Bucht auf und für den Anwalt beginnt eine Reise in die Vergangenheit - zu einer Zeit, als Irene noch mit einem reichen Industriemagnat verheiratet war, jedoch mit dem Maler des Bildes durchbrannte. Im folgenden Streit um das Gemälde und in gewisser Weise auch um die Dame selbst, sollte der Jurist zwischen Künstler und Firmenboss schlichten, verliebte sich jedoch ebenfalls in die schöne Frau und half ihr mit dem Gemälde zu fliehen.
Nun tritt er Irene als alter Mann gegenüber. Doch nicht nur der Anwalt ist auf das Gemälde und Irene aufmerksam geworden - auch ihr Exmann und der Maler tauchen in der Bucht auf, ein jeder mit einem anderen Ziel …
Meinung:
Der Autor Bernhard Schlink wurde durch seinen Roman "Der Vorleser" und dessen Verfilmung weltweit bekannt und zählt seither als einer der großen deutschen Autoren. Mit "Die Frau auf der Treppe" erschien im Diogenes Verlag ein Roman über das Alter, Vergangenheitsbewältigung und eine unerschütterliche Liebe, die keinerlei Grenzen kennt. Leider erreicht der Autor mit dieser Geschichte nicht alle Leser und verliert sich in den etwas hölzernen Beschreibungen und den ungreifbaren Charakteren.
Inhaltlich wirkt die Handlung stark konstruiert und an den Haaren herbeigezogen, so dass man bereits nach dem durchaus gelungenen Einstieg seine Probleme hat dem Roman zu folgen. Das liegt vor allem an den Charakteren, ganz besonders am namenlosen Ich-Erzähler, mit dem man überhaupt nicht warm wird. Man kann sich nicht in ihn hineinversetzen, versteht weder seine Beweggründe, noch seine Fixierung auf Irene, die er 40 Jahre nicht gesehen hat und um die er sich dennoch aufopfernd kümmert, als er erfährt, dass sie schwerkrank ist. Das mag seltsam klingen, doch der Anwalt kommt dem Leser zumeist gefühlskalt vor, als sei er nicht in der Lage, Gefühle zu empfinden. Dementsprechend aufgesetzt und künstlich wirkt seine Liebe gegenüber ihr, als sei diese nur Mittel zum Zweck - in diesem Fall um die Handlung voranzutreiben.
Auch Irene kann mit ihrer geheimnisvollen Art und Vergangenheit nicht überzeugen - sie ist einfach zu viel: Ex-Terroristin (was nicht erklärt wird), sozial engagiert, aber gleichzeitig reich, illegal in Australien, aber jeder weiß von ihr, Femme Fatale, aber dennoch nicht an den Männern interessiert. Sie wirkt vollkommen widersprüchlich, so dass man zumeist keinerlei Bezug zu ihr aufbauen kann.
Die übrigen Charaktere wirken ebenfalls blass und klischeehaft - der eitle, selbstverliebte Künstler, dessen Malerei im Zentrum steht; der reiche, mächtige Industriemagnat, der mit einer Arroganz und Selbstsicherheit auftritt, die keinen Platz für positive Charakterzüge lassen. Insgesamt wirken die männlichen Figuren eher negativ und hinterlassen einen unangenehmen Beigeschmack, da sie Irene nur auf die Muse, das hübsche Statussymbol und die unerreichbare Schönheit reduzieren.
Auch die Ereignisse, die in der australischen Bucht ablaufen sind weitestgehend hanebüchen und abstrus. Seien es die Dialoge zwischen den Figuren, die Reaktionen der dort lebenden Menschen oder die Geschehnisse am Ende des Buches - mit der Realität hat "Die Frau auf der Treppe" nicht mehr viel gemein und spätestens ab der Hälfte beginnt der Roman zu langweilen. Die Handlung plätschert die meiste Zeit vor sich hin. Eine wirkliche Änderung oder Besserung findet bei dem alternden Rechtsanwalt nicht statt, wenngleich ihn das Wiedertreffen mit seiner ersten Liebe prägt. Dennoch bleibt die Geschichte relativ flach und erreicht den Leser nur in einigen Absätzen und Szenen.
Stilistisch liefert Bernhard Schlink solide, schnörkellose Kost, die durchaus zum Nachdenken anregt. Hin und wieder verliert man sich aufgrund des geradlinigen Stils und der angenehmen Sprache durchaus in der Geschichte. Auch gelingt es dem Autor hin und wieder den Leser zu berühren und zum Nachdenken anzuregen. Dennoch sind gerade die Beschreibungen der Umgebung und die Dialoge nur bedingt gut gelungen, kommen hin und wieder verworren und inhaltsfrei daher. So gelungen einige Absätze und so treffend einige Metaphern sind, so wenig kann man mit einigen Szenen anfangen. Die Wortwiederholungen und Zeitsprünge sorgen ebenfalls dafür, dass man ins Stolpern gerät und immer wieder aus dem Konzept kommt.
Fazit:
Aufgrund der ungreifbaren Charaktere und der teils abstrusen Handlung fällt es schwer sich wirklich auf "Die Frau auf der Treppe" von Bernhard Schlink einzulassen. Trotz des soliden, direkten Stils des Autors fällt es immer wieder schwer dem Buch zu folgen, so dass der Roman nur bedingt empfehlenswert ist. Wenn man zu einem Roman von Bernhard Schlink greifen möchte, empfiehlt sich zunächst "Der Vorleser" - "Die Frau auf der Treppe" ist definitiv Geschmackssache.
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