Dämmerschlaf
Story:
Pauline Manford ist Mitglied der New Yorker High Society. Und um diese Position zu halten, ist einiges an Anstrengung nötig. Doch bald droht sie sich im Hamsterrad der gesellschaftlichen Verpflichtungen aufzureiben.
Meinung:
Die High Society fasziniert und stößt einen gleichzeitig ab. Einerseits will man alles über "die da oben" wissen, wie unzählige Klatschmagazine beweisen. Doch gleichzeitig gibt es auch ein gewisses Bedürfnis auf die Reichen und Schönen zu schimpfen, und von ihnen "mehr" zu verlangen. Die Autorin Edith Wharton hat sich der Oberschicht bereits im letzten Jahrhundert in ihrem Roman "Dämmerschlaf" angenommen.
Die Autorin wurde 1862 in New York geboren und verstarb 72jährig in Saint-Brice-sous-Foret in Frankreich. Für ihr Werk "Zeit der Unschuld" erhielt sie den Pulitzerpreis. Das Buch wurde 1993 von Martin Scorcese verfilmt. Sie hatte ein bewegtes Leben. Sie war mehrere Male verheiratet, kriegte jedoch nie Kinder. Sie zog 1908 nach Paris, wo sie den Rest ihres Lebens blieb.
Das Leben von Pauline Manford ist mit Terminen vollgefüllt. Mal muss sie mit ihrer Köchin etwas besprechen, ein anderes Mal Fitness trainieren und wiederrum ein anderes Mal mit einem Guru reden. Doch hat sie selten mehr als eine halbe Stunde Zeit für diese Termine. Und so ist ihr Leben oberflächlich und dreht sich nur allein um den Fakt, in der High Society von New York mitreden zu können.
Dabei häufen sich ihre Probleme. Die Tochter gerät auf Abwege, der Exmann sorgt für Probleme und der Guru gerät in Zweifel. Wie kann sie all dies mit ihrem Terminplan in Zusammenhang bringen?
Erneut hat der Manesse-Verlag einen literarischen Klassiker neu aufgelegt. Und schon das Cover deutet an, worum es geht. Man sieht eine hübsche, anscheinend reiche Frau, die in ihren eigenen Anblick im Spiegel versunken ist. Das ist geradezu symbolisch für die Handlung des Buches.
Denn Frau Wharton beschreibt in "Dämmerschlaf" eine Gesellschaft, die Ich-bezogen und oberflächlich ist. Exemplarisch am Beispiel von Pauline Manford sieht man, wie sich alles im Grunde genommen nur um eins dreht: Status!
Der Terminkalender von der Haupthandlungsträger Pauline Manford ist prall gefüllt mit Dingen, die in irgendeiner Form damit im Zusammenhang stehen. Denn nichts wäre schrecklicher für sie, als mit ihren "Freundinnen" nicht über ein und dasselbe Thema reden zu können. Diesem Zweck unterwirft sie alles.
Gleichzeitig ist sie aber auch hilflos, wenn die Dinge außer Kontrolle geraten. Wenn sie nicht mehr in ein gewisses Schema passen! Dann gerät sie ins Schwimmen, und ihr Versuch alles wieder unter Kontrolle zu bringen, verschlimmert es am Ende nur noch.
Frau Wharton beschreibt dies mit einer herrlich spitzen Zunge. Einerseits müsste man Mitleid mit den Protagonisten haben. Aber andererseits sind sie förmlich selber schuld an ihrer Misere. Alles wirkt übertrieben und gerade dadurch so glaubwürdig. Der Hang zu Statussymbolen definiert schließlich die Gesellschaft auch heute.
Lobenswert sind wie üblich die vielen Extras, die beim Manesse-Verlag Standard sind. Umfangreiche Anmerkungen, ein Nachwort und eine editorische Notiz laden dazu ein, sich das Buch wiederholt zu Gemüte zu führen, um wirklich alles zu entdecken.
Vorausgesetzt, man ist geneigt die Schwäche des Buchs zu übersehen. Denn im Prinzip hat man es hier nur mit einer Aneinanderreihung inhaltsleerer Szenen zu tun. Vor allem der Beginn ist deshalb sehr zäh. Man muss sich durchringen, um bis zum Ende durchzuhalten. Das ist, angesichts des Humors von Frau Warton, schade!
Trotzdem ist dies ein guter Roman, in den man "Reinschauen" sollte.
Fazit:
"Dämmerschlaf" ist ein herrlich übertriebener Blick auf die High Society der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts in New York. Perfekt fängt sie das Hamsterrad ein, dem sich die Protagonistin Pauline Manford unterwirft. Dabei schreibt sie mit einer herrlich spitzen Zunge. Schade nur, dass trotz der vielen Extras, die der Manesse-Verlag dem Buch beitat, die Handlung sich wie eine langweilige Aneinanderreihung inhaltsleerer Szenen liest.
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