Sherlock Holmes – Der verwunschene Schädel
Story:
Sherlock Holmes glaubte nicht an übernatürliche Geschehnisse. Zumindest wurde dies von Dr. Watson und seinem Verleger Arthur Conan Dolye immerzu versichert. Was wäre jedoch, wenn die Beiden den Lesern die Begegnungen mit dem Übersinnlichen verschwiegen hätten? Dieser Frage gehen folgende Autoren in ihren Geschichten nach: Karl-Georg Müller - Das verbotene Buch von Columban Erik Hauser - Sherlock Holmes und der verschwundene Fakir Tanya Carpenter - Sherlock Holmes und die Eisprinzessin Klaus-Peter Walter - Sherlock Holmes und das Geheimnis der Unsterblichkeit Oliver Plaschka - Der verwunschene Schädel Christian Endres - Der Fall der gebrochenen Achsen Florian Hilleberg - Der Werwolf von Canterbury Melanie Stone - Sherlock Holmes und das schwarze Biest von Epping Forest Barbara Büchner - Sherlock Holmes und der Kephalophagus Guido Krain - Der Gesichtslose
Meinung:
Knapp 80 Jahre nach dem Tod seines Schöpfers begeistern die Geschichten um den beratenden Detektiv Holmes und seinem Freund Dr. Watson immer noch Leser jeden Alters. Egal ob jung oder alt, ein jeder kennt den Prototypen eines rationalen (Privat-)Detektivs, der mit kritischem Blick die Fälle analysiert und aufklärt. Die Erfolge des jüngsten Holmes-Films mit Robert Downey Jr. in der Hauptrolle oder der ambitionierten BBC-Adaption, die Holmes und Watson im heutigen London ihre Fälle lösen lässt, sprechen für sich.
Und dann währen da noch die Pastiche, die Hommagen an Doyles Werk, die die Stimmung des Originals einfangen und Sherlock Holmes schon einmal in Wiesbaden, Leipzig und am Rhein ermitteln lassen, die Abenteuer des jungen Detektivs erzählen oder ihn mit dem Übernatürlichen konfrontieren. Letzteres hat Herausgeberin Alisha Bionda zur Vorgabe für ihre zwei Anthologien gemacht, die als haptisch gut gelungene Klappbroschur bei Voodoo-Press erschienen sind.
Insgesamt 17 Autorinnen und Autoren hat die Wahlmallorquinerin für beide Bände gewinnen können. Darunter bekannte Größen der Kleinverlagsszene wie Klaus-Peter Walter, Christian Endres oder Barbara Büchner, aber auch die bekannten deutschen Autoren Oliver Plaschka und Christoph Marzi. Coverbild und Innenillustrationen stammen vom Kanadier Crossvalley Smith, der jede Kurzgeschichte mit einem minimalistischen Bild einleitet, dabei aber keinen Vorgriff auf die Geschichte liefert und so die Spannung erhöht.
In den zehn Geschichten von "Der verwunschene Schädel" gehen die Autoren sehr unterschiedlich an die gestellte Aufgabe heran. Die Geschichten von Karl-Georg Müller und Erik Hauser spielen mit klassischen Gruselmotiven und bieten einen guten Einstieg in die Sammlung. Auch die Geschichten von Florian Hilleberg und Guido Krain fügen sich gut in den geforderten Ton und Anspruch der Anthologie ein.
Tanja Carpenter, die unter anderem bei Lyx veröffentlicht, versucht sich an dem Aufbau eines Mythos, mit dem Holmes und Watson konfrontiert werden. Dies misslingt ihr leider und die Geschichte wirkt dadurch besonders langatmig, erstreckt sie sich doch über 46 Seiten.
Besser macht es ihre Kollegin Babara Büchner und vor allem ihr Kollege Plaschka. Plaschka ist jedoch der Autor, der am stärksten mit den Vorgaben des Kanons bricht. Statt Watson oder Holmes erzählt die Priesterin Valérie. Die Geschichte, die in Haiti spielt, orientiert an den wahrhaftig existierenden Mythos um den Anführer der Sklavenaufstände von 1791, Dutty Boukman. Eine spannende, mystische und sehr gut recherchierte Kurzgeschichte erwartet die Leser.
Melanie Stone bricht ebenfalls teilweise mit den Traditionen des Kanons. Ihre Geschichte wird vom Meisterdetektiv höchstpersönlich erzählt. Doyle hatte dieses Experiment in "The Adventure of the Musgrave Ritual" gewagt, ansonsten aber Watson die Abenteuer des beratenen Detektivs erzählen lassen. Zwar holpert auch bei Stone der Erzählton streckenweise, die Geschichte an sich kann aber überzeugen.
Christian Endres und Klaus-Peter Walter gehen unterschiedlich an ihre Erzählungen heran. Endres geht davon aus, dass Holmes bereits öfters in Kontakt mit dem übernatürlichen kam, dies aber von Watson weitgehend verschwiegen wurde (erst durch Endres' Kurzgeschichtensammlung "Sherlock Holmes und das Uhrwerk des Todes" kam die Wahrheit ans Licht). Walter vermischt in seinem Beitrag zur Anthologie gleich mehrere viktorianische Romanfiguren (Dracula, Frankenstein) mit Doyles Werk, wodurch die Geschichte eine amüsante und spannende Hommage an die Zeit ist.
Fazit:
Die Anthologie "Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel" ist eine Empfehlung für Holmsianer, die auch ein Faible für fantastische Geschichten haben. Auch alle anderen können bedenkenlos zugreifen, sind Spaß und Spannung garantiert.
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