Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeinreißern: Berufe aus vergangenen Zeiten
Story:
Einst war der Sandmann keine beliebte Kinderfigur, sondern ein richtiger Beruf. Ein Scharfrichter tötete nicht nur, sondern konnte auch Leben bewahren. Und für die weibliche Schönheit musste so mancher Wal sterben.
Meinung:
Im Laufe der Menschheitsgeschichte ist vieles passiert. Reiche entstanden und vergingen wieder. Schönheitsideale, die einst beliebt waren, werden heute mit scheelen Augen angesehen. Und Berufe, die einst weit verbreitet waren, verschwanden wieder. Manche kennt man vom Namen her, andere überhaupt nicht. In "Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeinreißern. Berufe aus vergangenen Zeiten" beschäftigen sich die Autorin Michaela Vieser und die Illustratorin Irmela Schautz mit solchen Beschäftigungen.
Frau Vieser wurde 1972 geboren. Sie studierte Japanologie und asiatische Kunstgeschichte in London. Nach Abschluss arbeitete und forschte sie mehrere Jahre in Japan und den USA, ehe sie 2003 mit ihrer Familie nach Berlin zog. Seitdem schreibt sie Sachbücher, wie beispielsweise "Tee mit Buddha - mein Jahr in einem japanischen Kloster".
Irmela Schautz wurde 1973 geboren und studierte Malerei, Graphik, Bühnen- und Kostümbild an den Kunstakademien in Münster und Stuttgart. Auch sie lebt in Berlin. Dort arbeitet sie als freie Künstlerin und Illustratorin.
Wer beim Namen "Sandmann" an die bekannte Fernsehfigur denkt, liegt falsch. Einst war dies die Bezeichnung für einen Beruf, der nur von den ärmsten Menschen ausgeübt wurde und diese über die Jahre langsam umbrachte. Immerhin sorgte die Veränderung des Begriffes dafür, dass man den Namen nicht vergisst. Anders, als es beispielsweise Berufsbilder wie der Ameisler oder der Kaffeeriecher durchmachten.
Mit ihrem Buch beschäftigen sich die Autoren Michaela Viesler und Irmela Schautz mit diesen vergangen Berufen. Dabei gestehen sie freimütig ein, dass ihnen die Recherchen nie leicht fielen, weil es einfach in einigen Fällen kaum Quellen gab. Doch das hinderte sie nicht daran, sich alle erdenkliche Mühe zu geben. Und das merkt man dem Buch auch an.
Alphabetisch sortiert wird jeder Beruf zuerst von einer allgemeinen Definition, dem Erkennungszeichen und dem Zeitraum, wo diese Arbeit noch aktiv ausgeübt wurde, eingeführt. Dadurch erhält man bereits jede Menge nützliche Informationen, die im darauffolgenden Text weiter aufgegriffen werden. Dort werden sie anschließend vertieft.
Und man lernt einiges über die diversen Jobs, wie es neudeutsch heißt. So war der Beruf des Scharfrichters zu Beginn noch hoch angesehen, was sich im Laufe der Zeit dann schnell änderte. Bald war es so, dass Hochzeiten nur innerhalb der Familien möglich waren, die diese Arbeit ausübten. Andererseits konnte der Henker auch diverse Leiden lindern, einfach weil er über mehr anatomische Kenntnisse verfügte, als so mancher Mediziner zu seinen Zeiten. Es sind diese interessanten Fakten, die einen dazu bringen, den Band nicht so schnell zur Seite zu legen.
Gleichzeitig enthält jeder Abschnitt auch eine Illustration von Frau Schautz. Sie schafft es perfekt, den jeweiligen Beruf anschaulich darzustellen. Hatte man beispielsweise vorher Probleme sich einen Ameisler bildhaft vorzustellen, ist es nach dem Bild von ihr kein Problem mehr.
Auch der umfangreiche Index sowie das Quellenverzeichnis überzeugen. Das gleiche gilt auch für die Anmerkungen und das Register. Keine Selbstverständlichkeit, da manche Sachbücher diese Details gerne vergessen.
Ein kleines Manko gibt es allerdings: In manchen Kapiteln hat man das Gefühl, dass die Autoren viel zu schnell zu einem Abschluss kommen. Besonders die Entwicklung, die dazu führte, dass der Beruf an Bedeutung verlor, kommt oft zu kurz.
Es ist schade, dass dem so ist. Denn eigentlich ist dies ein sehr gutes Sachbuch. Dennoch sollte man "Reinschauen".
Fazit:
"Von Kaffeeriechern, Abtrittanbietern und Fischbeineinreißern: Berufe aus vergangenen Zeiten" ist das Sachbuch der Autorin Michaela Viser und der Künstlerin Irmela Schautz. In dem Band beschäftigen sich die beiden mit längst vergangenen Berufen. Sie liefern alle wichtigen Infos kompakt ab, so dass eigentlich fast keine Wünsche entstehen. Nur die Entwicklung, die dazu führt, dass diese Arbeit verschwindet, kommt viel zu kurz. Da helfen auch die Illustrationen und der umfangreiche Anhang nicht weiter.
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