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Nero Wolfe in Montenegro

Story:
Eigentlich verlässt Nero Wolfe, der ebenso exzentrische wie geniale Privatdetektiv, nur selten sein Haus in der New Yorker West 35th Street. Aber ein Fall veranlasst ihn sogar, den Atlantik zu überqueren. Marko Vukcic, schon seit ihrer gemeinsamen Kindheit in Montenegro eng mit dem Detektiv befreundet, wird auf offener Straße erschossen. Wolfe nimmt den Mord persönlich und setzt alles daran, den Täter ausfindig zu machen. Die Spur führt auf den Balkan, wo Vukcic eine Befreiungsbewegung im Kampf gegen Tito unterstützte. Aber kann Wolfe einen Fall lösen, bei dem er aktiver werden muss als hinter dem Schreibtisch zu sitzen und Archie Goodwin die Laufarbeit machen zu lassen? Und das auch noch im "Pulverfass Europas"...

Meinung:
"Ich verlasse nur selten mein Haus. Ich bin gern hier. Ich wäre ein Idiot, würde ich diesen Sessel verlassen, der eigens für mich angefertigt wurde." Wohl jeder kennt den Detektiv, wie er in seinem maßgefertigen Sessel hinter dem Schreibtisch sitzt, seinen Assistenten Archie Goodwin die Laufarbeit machen lässt und alleine durch Nachdenken Mordfälle löst. Aber in manchen Angelegenheiten setzt sogar Nero Wolfe sich in Bewegung.

Der amerikanische Schriftsteller Rex Stout schrieb 1934 den ersten Roman mit dem 140-Kilo-Genie. Bereits knapp ein Vierteljahrhundert früher hatte er als Autor von Fortsetzungsgeschichten für Zeitungen gearbeitet, aber damit nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten können. In den 1910er und 1920er Jahren erwarb Stout als Geschäftsmann beachtlichen Reichtum, was ihm erlaubte, seinen literarischen Ambitionen wieder nachzugehen. Unter anderem gab er gemeinsam mit einem Freund eine Luxusausgabe der Memoiren Casanovas heraus (mit Zeichnungen, was bei der damaligen Zensur ein großes Wagnis war). Auch selbst begann er wieder zu schreiben.

Im großen Börsencrash 1929 verlor Stout den größten Teil seines Vermögens, aber seine eigenen Geschichten waren inzwischen erfolgreich genug, dass er vom Schreiben leben konnte. Zu Beginn verfasste er vor allem avantgardistische Romane. Bereits die erste Geschichte mit Nero Wolfe, "Fer-de-lance" (auf Deutsch erschienen unter den Titeln "Ein dicker Mann trinkt Bier" und später "Die Lanzenschlange") war sehr erfolgreich, so der Autor sich ab 1938 ausschließlich dem Kriminalroman zuwandte. Damit sollte er bis zu seinem Tod 1975 nicht mehr aufhören: Rex Stout schrieb 33 Romane und 41 Erzählungen mit dem eigenwilligen Detektiv. Später traten andere Autoren sein Erbe an, insbesondere Robert Goldsborough, der sieben Nero Wolfe-Romane verfasste. Stouts Wolfe-Werk wurde als "Beste Kriminalserie des Jahrhunderts" nominiert, der Autor selbst als "Bester Kriminalautor des Jahrhunderts". Aber auch auf andere Weise wurden die Geschichten ausgezeichnet: Der Maler René Magritte benannte einige seiner Gemälde nach Wolfe-Romanen.

Die Faszination der Geschichten geht zum einen von der Person des Detektivs selbst aus: Ein mürrischer, exzentrischer, stark übergewichtiger Mann, der am liebsten sein Haus nie verlassen würde und andere, vor allem seinen Assistenten Archie Goodwin, die Arbeit machen lässt. Er beschäftigt einen eigenen Spitzenkoch und einen Gärtner für seine geliebte Orchideensammlung in den Gewächshäusern unter dem Dach. Frauen kann er grundsätzlich nicht leiden, insbesondere wenn sie in seinem Büro hysterische Anfälle bekommen. Gleichzeitig ist er überaus erfolgreich, denn aus dem, was Goodwin und die anderen ausgraben, findet er rein durch Überlegungen hinter dem Schreibtisch die Lösung des Falles. So manchem Mörder ist er so bereits auf die Schliche gekommen.

Der zweite wichtige Grund sind die Dialoge, vor allem zwischen Wolfe und Goodwin. Stout ist einfach ein sehr guter Erzähler. Wenn der Detektiv und sein Assistent sich kabbeln, hat der Leser seine Freude. Auch Goodwins lakonischer Stil als Ich-Erzähler trägt stark dazu bei. Der eigentliche Kriminalfall spielt dabei oft nur eine untergeordnete Rolle und kann nicht immer überzeugen.

"Nero Wolfe in Montenegro" ist in mancher Hinsicht ein außergewöhnlicher Roman in der Serie, in anderer Hinsicht ist er geradezu prototypisch. Einerseits ist es eine der seltenen Gelegenheiten, zu denen Nero Wolfe sein Haus, sogar New York und Amerika verlässt. Um den Mörder seinen alten Freundes Marko zu finden, muss der beleibte Gehirnakrobat wieder in den montenegrinischen Bergen herumklettern, wie er es vor Jahrzehnten als kleiner Junge tat. Außerdem werden er und Archie in die Kämpfe zwischen dem Tito-Regime, einer militanten Befreiungsbewegung und den verschiedenen Nachbarn wie Albanien und der Sowjetunion verwickelt, die alles andere als zimperlich sind. Entsprechend ist dieser Roman weniger ein Krimi als mehr eine Abenteuergeschichte.

Andererseits steht, wie schon angesprochen, auch dieses Mal der eigentliche Fall eher im Hintergrund und ist sozusagen Vorwand für die "Nero Wolfe-Show". Wie der Detektiv von einer Tarngeschichte zu nächsten springt und alle Parteien irgendwie für seine Zwecke einspannt, ist geradezu genüsslich zu lesen. Auch Goodwins pointierte, aber (soweit es Wolfe betrifft) immer liebevolle Erzählweise trägt dazu bei. Auch bei den Dialogen beweist Stout sein großes Talent. Die Übersetzung trifft den Ton des Originals gut, auch wenn sie – wie bei Übertragungen oft – nicht an die Vorlage heranreicht.

"Nero Wolfe" kann man, wie viele andere Geschichten um den Meisterdetektiv, mit einem guten Tee oder einem guten Cognac vergleichen. Man konsumiert sie nicht im Alltag, aber an einem gemütlichen Abend gönnt man sich von Zeit zu Zeit eine Portiion davon. Aber während man Tee oder Cognac nur einmal trinken kann, nimmt man einen Wolfe-Roman gerne öfter aus dem Regal.

Fazit:
Ein einerseits untypischer Roman um Nero Wolfe, weil der exzentrische Detektiv sich tatsächlich aus seinem Haus heraus zurück in das Land seiner Jugend wagt. Auf der anderen Seite ist "Nero Wolfe in Montenegro" ein Genuss für Freunde guter Erzählungen und Dialoge. An die Kriminalgeschichte sollte man, wie bei der Serie häufig, nicht zu hohe Anforderungen stellen.

Nero Wolfe in Montenegro - Klickt hier für die große Abbildung zur Rezension

Rex Stout
Nero Wolfe in Montenegro
The Black Mountain

Übersetzer: Mechthild Sandberg
Erscheinungsjahr: 2002 (diese Ausgabe)



Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck

Verlag:
Scherz

Preis:
€ 7,90

ISBN:
3-502-51824-6

140 Seiten
Positiv aufgefallen
  • Archies lakonischer Erzählstil und die Kabbeleien zwischen ihm und Wolfe sind gewohnt gut
Negativ aufgefallen
  • An den eigentlichen Kriminalfall sollte man nicht zu hohe Anforderungen stellen, er ist mehr Mittel zum Zweck
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Rezension vom: 04.06.2012
Kategorie: Krimi
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