Das Lied von Eis und Feuer 06: Die Königin der Drachen
Story:
Die Mauer im Norden wird angegriffen und nur Jon Schnee kann verhindern, dass die Wildlinge des Nordens über sie gelangen können. Keine leichte Aufgabe, hat er doch nur wenige Leute zur Verfügung. Tyrion Lennister hingegen sieht sich falschen Anschuldigungen ausgesetzt, und muss auf ein Gottesurteil hoffen. Und für die Familie der Starks warten bittere Zeiten.
Meinung:
Die letzten drei Bände von George R. R. Martins "Das Lied von Eis und Feuer"-Serie waren fantastische Leseerlebnisse. Sie wurden alle von der splashbooks-Redaktion mit dem splashhit ausgezeichnet. Doch eine solche Serie an Höchstbewertungen kann nicht ewig andauern. Und mit "die Königin der Drachen" ist es leider schon soweit.
Die Mauer von Westeros war immer das letzte und einzige Bollwerk gegen die Bewohner des eisigen Nordens. Bemannt mit den Männern der Nachtwache sollte für immer verhindert werden, dass die Wildlinge nach Süden eindringen können. Doch nichts währt ewig, und die Besatzung des Walls ist im Laufe der Jahre immer mehr zusammengeschrumpft und besteht nun hauptsächlich aus minderwertigen Soldaten. Keine guten Vorzeichen für die anstehende Invasion der Wildlinge, die, zusammengeschart unter dem König-jenseits-der-Mauer Manke Rayder, die Mauer überwinden wollen. Die einzige Hoffnung besteht in Jon Schnee, der lange Zeit mit ihnen lebte und ihre Pläne kennt.
Derweil versucht Rob Stark sich mit einem wichtigen Verbündeten wieder zu versöhnen, nachdem er ihm aus Versehen vor den Kopf gestoßen hat. Arya Stark ist weiterhin auf dem Weg in ihre Heimat, muss jedoch zahlreiche Rückschläge hinnehmen. Und in Königsmund wird eine Hochzeit des Königs präpariert, die von Tyrion Lennister in die Gänge geleitet wurde. Doch er muss sich seiner Position verteidigen, denn es laufen einige Intrigen, die ihm das Leben schwer machen. Kann er diese mit heiler Haut überstehen?
"Die Königin der Drachen" fängt im Vergleich zu den letzten Romanen schwach an. Es braucht eine ganze Weile, bis die Handlung die gewohnte Qualität erreicht hat. Das liegt vor allem an der Erwartungshaltung, die man beim Lesen einnimmt.
Man weiß, dass noch jede Menge Seiten kommen, die gefüllt werden müssen. Ebenso ahnt man, dass George R. R. Martin noch einige Plots für die zukünftigen Bände braucht. Doch stellenweise hat man den Eindruck, dass er nur Wasser tritt und der Handlungsfortschritt auf der Strecke bleibt.
Das macht besonders der Plot um Arya Stark deutlich. Sie ist jetzt seit mehr als anderthalb Bänden unterwegs, um zurück nach Hause zu kommen. Und, wie sie selber anmerkt, ist sie nicht wirklich näher gekommen. Das ist enttäuschend, da man in diesem Fall endlich auf einen spürbaren Fortschritt wartet. Hier reicht die erstklassige Charakterarbeit von George R. R. Martin nicht aus, um das Interesse des Lesers zu wecken.
Ein weiteres Manko ist, dass man inzwischen weiß, dass der Autor für seine Figuren nur das Schlechteste plant, um es überspitzt auszudrücken. Die Stimmung ist größtenteils depressiv, und es fehlt der Funke Hoffnung, der die Situation erträglicher macht. Die Erwartungshaltung bei den jeweiligen Plots ist, dass, was auch immer passiert, für die Beteiligten nun nicht unbedingt etwas Gutes dabei herauskommen kann.
Und George R. R. Martin erfüllt diese Erwartungen größtenteils. Und ironischerweise muss man feststellen, dass man dann trotzdem das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Der Autor schafft es erneut, einen nach einer, dieses Mal wesentlich längeren, Weile in den Bann zu ziehen.
Es sind drei große Ereignisse, die vor allem gegen Ende der Geschichte stattfinden, und mit denen er die bisherigen Verhältnisse auf den Kopf stellt. Eine Schlacht und zwei Hochzeiten sind es, mit denen er deutlich macht, dass man bei "Das Lied von Eis und Feuer" das Unerwartete erwarten muss.
Ohne allzu viel zu verraten, muss man von diversen liebgewonnen Charakteren und Situationen Abschied nehmen. Und ganz so, wie es bei Martin üblich ist, schreibt er seine wichtigsten Protagonisten nicht einfach so heraus, sondern lässt sie einen schrecklichen Tod durchleiden. Und man fühlt mit ihnen. Es ist, als ob er dem Leser das eigene Fleisch bei lebendigem Leibe rausschneidet. Ein unheimliches Gefühl, weil man trotz des Eindruckes nicht aufhören kann. Man will wissen, was mit dieser und jener Figur passiert.
Und ein ums andere Mal schafft es der Autor dem Leser den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Nichts ist oder war so, wie es zuerst aussieht. Besonders deutlich wird dies bei Jaime Lennister, dessen Verlust seiner Schwerthand zu einem erstaunlichem Charakterwechsel führt. Im Laufe der Geschichte wandelt er sich von einem arroganten Krieger hin zu einer einfühlsamen Person, der einsieht, dass er seinem Leben Fehler gemacht hat. Solche Entwicklungen findet man in "Die Königin der Drachen" immer wieder. Und sie wirken absolut natürlich und glaubwürdig. Einfach, weil Martin es schafft, sie langsam aber behutsam durchzuführen.
"Die Königin der Drachen" zu lesen, ist Arbeit. Der Beginn ist eher lahm, doch dann nimmt die Handlung Fahrt auf, und am Ende ist es so wie immer: Man kann den Roman nicht mehr aus der Hand legen, sondern muss einfach immer wieder "Reinschauen"!
Fazit:
"Das Lied von Eis und Feuer 06: Die Königin der Drachen" ist leider ein schwacher Roman. Die Erwartungserhaltung des Lesers ist, dass einige Handlungsfäden keinen großartigen Fortschritt machen werden, und dass am Ende eh nichts positives für die Charaktere herauskommt. George R. R. Martin erfüllt diese Erwartungen größtenteils und schafft es trotzdem, nach einer Weile Interesse beim Leser zu erwecken. Am Ende des Buches hat er die bisherigen Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Viele wichtige Figuren nehmen hier ihren Abschied und er schafft es wiederholt, dass man über einige Charakterwandlungen erstaunt ist. Trotz der anfänglichen Schwäche ist der Band empfehlenswert.
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