Bitte sagen Sie jetzt nichts
Story:
Von 1968 bis 2009, vom Playboy bis zum Bayrischen Rundfunk: Interviews und Gespräche mit Loriot aus rund vier Jahrzehnten beleuchten zusätzliche Facetten des Ausnahme-Humoristen.
Meinung:
Sein Werk kennt vermutlich jeder Deutsche, und wenn nicht, sollte man es kennen lernen. Dazu eignet sich dieser kleine Band allerdings weniger: Die siebzehn gesammelten Gespräche mit Loriot sind eher eine Ergänzung für diejenigen, die ihrem Bild von Loriot weitere Facetten hinzufügen wollen. Entsprechend geht es in vielen der Interviews auch weniger um das Werk des Künstlers, sondern eher um seine Persönlichkeit oder um seine Ansichten zu den verschiedensten Themen. Auffällig oft vertreten ist Vicco von Bülows Liebe zur Oper im Allgemeinen und zu Wagner im Besonderen, die auch dazu geführt hat, dass er mehrere Opern auf die Bühne brachte.
Bei Gesprächen aus etwa vierzig Jahren und aus den verschiedensten Medien bleibt eine gewisse qualitative Bandbreite nicht aus. Manches haftet nicht lange im Gedächtnis, anderes möchte man sich hingegen als Poster an die Wand hängen. Dabei reiht Loriot nicht Pointe an Pointe, sondern spricht auch über ernste Themen wie Konsumkritik oder seine Erlebnisse nach der Reichsprogromnacht 1938. Trotzdem blitzt immer wieder der vertraute Humor des Künstlers durch, wenn er etwa den bekannten Fragebogen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung konsequent auf Wagner trimmt. Lieblingsromanfiguren habe er nicht, Wagner hat schließlich keinen Roman geschrieben.
Interessant ist auch zu beobachten, wie sich die Antworten des Interviewten auf die Fragen, die ihm über die Jahre und Jahrzehnte immer wieder gestellt wurden, mit der Zeit verändert haben. So bekommt der Leser nach und nach ein immer "runderes" Bild von Loriot und ein Stück weit auch von dem Menschen hinter der öffentlichen Figur. Dabei erlebt man einige Überraschungen, etwa bei der Erklärung, wie es zu den Knollenmännchen kam, oder wie die oft zitierte Ansicht, Männer und Frauen passten schlicht nicht zueinander, wirklich gemeint war.
Daniel Keel und Daniel Kampa, der Gründer des Diogenes Verlags und einer seiner engsten Mitarbeiter, haben bei der Auswahl der Gespräche ein glückliches Händchen bewiesen. Sie haben nicht einfach das Pressearchiv durchstöbert und die Fundstücke chronologisch hintereinandergepackt, sondern Bandbreite einerseits und Struktur andererseits miteinander vereinbart. Die Bandbreite bezieht sich auf offensichtliche Dinge wie den Zeitpunkt oder das Medium, für das das jeweilige Gespräch geführt wurde, aber auch auf weniger augenfällige wie die Person des Gesprächspartners (vom namentlich gar nicht genannten Fragensteller des SPIEGEL bis zum selbst prominenten August Everding) oder die Qualität des Interviews. Gleichzeitig wird im gesamten Band eine Art roter Faden spürbar, der sich nicht leicht in Worte fassen lässt, aber die Gespräche miteinander verbindet.
Sollte jemand tatsächlich noch kein Buch von Loriot im Schrank stehen haben, eignen sich andere Bände als dieser besser als Einstieg. Wer aber zumindest die "Loriot-Standards" kennt und gerne mehr über den Künstler hinter der Nudel erfahren möchte, hat hier Gelegenheit dazu.
Fazit:
Wer glaubt, "seinen" Loriot zu kennen, hat in 17 Gesprächen und Interviews mit dem Künstler aus über 40 Jahren die Gelegenheit, sein Bild des Ausnahme-Humoristen zu vervollständigen und abzurunden. Die sorgsam ausgewählten Gespräche zeichnen in der Gesamtschau ein gelegentlich überraschendes Bild von Vicco von Bülow, in dem sein typischer Humor ebenso Platz findet wie ernste Themen. "Bitte sagen Sie jetzt nichts" ist damit eine gute Ergänzung für die persönliche Loriot-Bibliothek, als Einstieg in sein Schaffen eignen sich andere Bände besser.
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Loriot, Daniel Keel (Hrsg.), Daniel Kampa (Hrsg.)
Bitte sagen Sie jetzt nichts
Erscheinungsjahr: 2011
Autor der Besprechung:
Henning Kockerbeck
Verlag:
Diogenes
Preis: € 21,90
ISBN: 978-3-257-06787-3
255 Seiten
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