Der siebte Schwan
Story:
Die junge Mina hat ein behütetes Leben als Tochter eines Gutbesitzers geführt. Doch die Idylle ist schnell vorbei, als ein Freund der Familie, der Doktor ist, sie für verrückt hält, und ein Prozedere mit ihr durchführen will. Das Mädchen kann fliehen und findet Unterschlupf bei den Tatern, einer Zigeuner-Gruppe. Und dort fasst sie den Entschluss, sich auf die Suche nach ihren verschollenen Brüdern zu begeben. Doch ist sie bereit, den Preis dafür zu zahlen?
Meinung:
In dem aktuell stark boomenden Fantasy-Genre fällt es schwer, mit seinem Werk noch irgendwie hervorzustechen. Noch dazu, wenn die Qualität des eigenen Romans nicht gerade überzeugend ist. Doch dieses Problem hat Lilach Mer überhaupt nicht. Ihr Debüt ist eine positive Überraschung, vor allem deshalb weil das Buch so überhaupt nicht den Erwartungen an typische Vertreter des Genres entspricht.
Frau Lilach Mer hat Jura studiert und ist außerdem auch noch eine ausgebildete Fachjournalistin. Sie ist in Berlin und Schleswig-Holstein aufgewachsen und ist aktuell im akademischen Bereich tätig. Des Weiteren ist sie seit kurzem als Bücher-Rezensentin aktiv.
Ihre Geschichte spielt im Jahre 1913, in Schleswig-Holstein. Mina, 14 Jahre alt, ist ein bisschen verträumt und tanzt, wenn keiner aufpasst, zu der Musik einer kaputten Spieluhr. Des Weiteren hütet sie wie ein Geheimnis ein Amulett, in dessen Inneren sich Bilder eines Zwillingspaars befinden. Doch ihr Leben wird auf dem Kopf gestellt, als ein Freund der Familie, ein Arzt, sie eines Tages überrascht. Später kriegt sie mit, wie er ihre Eltern überredet, sie in seine Obhut zu übergeben, damit er mit ihr dasselbe machen kann, wie auch früher. So erfährt das Mädchen, dass die zwei Kinder in den Darstellungen Zwillinge sind, anscheinend ihre Brüder, die vor langer Zeit in die Obhut des Doktors übergeben wurden. Entsetzt von der Enthüllung und dem Schicksal, was ihr droht, flieht sie.
Schon recht bald trifft sie auf die Tatern, einer Zigeuner-Gruppe, die in einer Art Parallel-Realität leben. Hier gibt es noch mythische Dinge, wie sprechende Kater. Herr Tausendschön, so der Name ihres felinen Begleiters, ist stets an ihrer Seite. Auch findet sie langsam Aufnahme in die eingeschworene Gemeinschaft und lernt die verschiedenen Mitglieder kennen. Dabei fasst sie den Entschluss, ihre Brüder zu retten. Doch das Vorhaben in die Tat umzusetzen ist alles andere als einfach. Auf der Suche nach ihren Geschwistern trifft sie auf verschiedene Fabelwesen und opfert ihre Stimme, um weiterzukommen. Schnell wird klar, dass die Zeit drängt, denn die Porträts, die sie bei sich trägt, beginnen zu verblassen. Und dies kann nichts Gutes bedeuten.
Es ist ein ziemlicher Kontrast zwischen der Welt der Tater und jener, wo Mina lebt. In letzteres gibt es Regeln, eine Etikette, in die bereits die Kinder gezwängt werden. Es wird von ihnen erwartet, immer nett und adrett auszusehen wie Puppen, und sich ja nicht dreckig zu machen. Alles, was nicht in diese Erwartungen passt, gilt als abnormal und muss behandelt werden. Kein Wunder also, das Lilach Mers Heldin flieht.
Bei den Tatern geht es zwar ungezwungener zu, doch harmloser ist diese Welt nicht. Es gibt Geisteswesen, mit denen man umgehen muss, wie beispielsweise den Schlangenkönig, der inmitten einer Wiese voller beinloser Reptilien lebt. Hier darf Mina keine Angst zeigen, sonst hätte dies furchtbare Konsequenzen.
Es sind diese Elemente, die den Roman hervorheben. Man hat hier eine Heldin, die Herausforderungen bestehen muss, wie man sie aus den Märchen her kennt. Tatsächlich erinnert der Roman sogar stark an diese alten Erzählungen erinnert und weniger an eine moderne Fantasy-Geschichte. Das Spektrum der Mission, die Mina erfüllen muss, ist eine ganze Ecke kleiner. Die Welt ist nicht bedroht, noch ist sie eine prophezeite Heldin. Sie ist eigentlich nur ein ganz normales Mädchen, welches zufälligerweise über ein furchtbares Geheimnis stolpert. Dies macht sie so sympathisch, ebenso wie ihre Opferbereitschaft. Doch vermeidet die Autorin es äußerst geschickt, sie allzu strahlend darzustellen. Denn sie hat immer noch ihre Fehler, wie beispielsweise ihre ursprünglichen Vorurteile gegenüber den Tatern.
Auch diese verschworene Gemeinschaft wird von der Autorin sehr gut dargestellt. Hier handelt es sich um eine Gruppe, die zwischen zwei Welten leben. Auf der einen Seite sind sie auch in der "normalen" Realität unterwegs und tanzen beispielsweise auf Festen. Andererseits existieren sie in auch in einer Welt, die wahrhaft magisch ist, was auch die Präsenz des Taternkönigs zeigt, der eng mit seiner Umgebung verwoben ist.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Mina und ihre Mission, sowie die Hürden, die sie dafür zu nehmen hat. Der Gegenspieler, in Form des Doktors, taucht kaum auf, was der Erzählung jedoch absolut nicht schadet. Und wenn der Arzt auftaucht, dann hat man nicht das Gefühl, von jemand absolut bösen zu lesen, sondern eine Person vor sich zu haben, die schlicht und ergreifend fehlgeleitet ist. Eine wohltuende Abwechslung von der Schwarz-Weiß-Malerei vieler anderer Romane.
Höchstinteressant ist auch der Teil des Buches zu lesen, in dem die Autorin über ihre Recherchen erzählt. Denn vieles, was man als simplen Teil der Geschichte abtun würde, beruht auf realen Vorbildern.
Und damit ist "Der siebte Schwan" ein absoluter Klassiker!
Fazit:
Lilach Mers Debüt-Roman "Der siebte Schwan" ist ein klasse Roman. Die Geschichte erinnert ein wenig an ein Märchen. Die Charaktere wachsen einem allesamt ans Herz, und dass der Gegenspieler in Form des Doktors, nicht einfach nur böse ist, ist besonders schön. Und damit ist das Buch ein wirklicher Klassiker!
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