Splashpages  Home Books  Events  Berichte  Nur die Gedanken sind frei?
RSS-Feeds
Podcast
https://www.splashbooks.de/php/images/spacer.gif


In der Datenbank befinden sich derzeit 9 Events. Alle Events anzeigen...
Specials Eventspecials

Nur die Gedanken sind frei?
Wenn man so will, ist die Messeberichterstattung auf den Splashpages ein Weblog - oder kurz Blog. Denn diese sind eigentlich eine Art Online-Tagebuch. Meistens können dann Benutzer auch noch Kommentare abgeben. Das ist zwar hier noch nicht möglich. Aber wer weiß...

Am Sonntag fand beim Forum der deutschen Welle eine Diskussionsrunde zum Thema Weblogs und den Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet statt. Zugegeben, der Titel enthielt keinen Hinweis auf die Weblogs, und da wir ein nicht gerade unbekanntes Forum betreiben, gingen unsere Gedanken zunächst in Richtung von Meinungsfreiheit in Form von Forenbeiträgen. Der wirkliche Aufhänger der Diskussion war aber nicht minder interessant. Nein, eigentlich noch viel interessanter. Hossein Derakshan (Journalist und Weblogger aus New York), Julien Pain (Reporter ohne Grenzen, Paris) und Gabriel Gonzalez (Journalist und Projektmanager "The Bobs" bei der deutschen Welle) sprachen unter der Führung von Holger Hank von dw-world.de eben über Weblogs.

Derakshan ist Iraner und führt im Internet drei Blogs, zwei in persischer und einen in englischer Sprache. Er sieht seine Aufgabe darin die Lücke zwischen der Berichterstattung im Westen und der heimischen Presse zu schließen. Letztere leidet unter einer weitreichenden Zensur seitens des iranischen Staates, die aber auch Derakshans Blog im iranischen Netz betrifft. Denn als er kürzlich im Iran war, um die Wahlen mitzuverfolgen, konnte er nicht auf seinen Blog zugreifen, geschweige denn darin schreiben und veröffentlichen. Wäre dies die einzige Form der Unterdrückung, wäre es ja noch nicht einmal so schlimm. Aber Derakshan wurde bei seiner Ausreise eine Woche lang zurückgehalten. Erst nachdem er sich für ein paar seiner Aussagen entschuldigt hatte, ließ man ihn gehen. Freilich wollte man ihn eigentlich auf das iranische Presserecht einschwören, dies ließ er aber dann doch nicht zu.

Wenn man nun glaubt, daß Derakshan in seiner Wahlheimat New York keine Probleme hat, der hat die Rechnung ohne Google und die amerikanische Einwanderungsbehörde gemacht. Denn als er endlich wieder amerikanischen Boden betreten wollte, wurde er beinahe abgewiesen. Ein Beamter hatte nach seinem Namen gegoogelt und den Blog gefunden. Darin hatte er als seine Heimat New York beschrieben - ohne Green Card kein glücklicher Vorgang. Er kam schlußendlich dennoch in die USA rein. Diese Geschichte kann aber dazu dienen den Lesern klarzumachen, wie global das Internet ist. Wie vernetzt die Informationen sind und daß man beim Bloggen eventuell doch einmal überlegen sollte, ob man diese Informationen preisgeben will oder sollte. Nicht alles kann von der Obrigkeit als oportun gewertet werden. Und Ein- oder Ausreiseschwierigkeiten sind da noch das geringste Übel. Wie Julien Pain zu berichten weiß.

Im Moment befindet sich zwar offiziell nur ein Blogger (ein Iraner) hinter Gittern, aber es kommt immer wieder zu Verhaftungen. Reporter ohne Grenzen will hier helfen. Muss aber auch manchmal einsehen, daß die Hilfe unter Umständen sogar konträr wirken kann. Mit der Hilfe geht meist eine höhere Popularität einher. Und diese Popularität ist es, die man durchaus wieder Teufel das Weihwasser meiden möchte. Sie könnte die Behörden ja gerade erst auf die Personen aufmerksam machen. So wurde denn auch der Preisträger des Weblog-Preises der deutschen Welle vom letzten Jahr zunächst vorab informiert und es wurde nachgefragt, ob ihm der Preis vielleicht sogar schaden könnte.

Eine weiter Frage, die bei der Hilfe auftaucht, ist ja die, ab wann man einen Blogger als Journalisten bezeichnen kann. Wenn Tante Erna über den Kaninchenzüchterverein in der Nachbarschaft bloggt wird dies wohl kaum unter Journalismus fallen. Doch wo wird die Grenze gezogen? Eine abschließende Antwort konnte leider nicht gegeben werden. Sicher ist, daß politisch engagierte Blogger durchaus als Journalisten durchgehen können, ja von denen sogar gemocht werden. Pain drückte es sehr nett aus: "Sie machen die Arbeit, die eigentlich die Journalisten vor Ort machen sollten." Er selbst liesst die Weblogs, um überhaupt aus den Ländern zu erfahren, sei es Nepal, Nordkorea, China oder auch wieder der Iran. Wobei scheinbar China die härtesten Strafen für Weblogs hat. 15 bis 20 Jahre Knast sind hier durchaus im Bereich des Üblichen.

Reporter ohne Grenzen weiss durchaus Mittel dagegen. Die weitgehende Anonymisierung im Internet ist hier eine der Möglichkeiten. Weiter Möglichkeiten werden auf Nachfrage aufgezeigt. So soll auch der Zensur entgangen werden können.

Einige waren sich alle darin, daß das Internet weiter von den USA gepflegt werden soll. Eine Machtübernahme durch Staaten wie China, Kuba oder Nordkorea sehen sie als große Gefahr an, wobei aber die USA als das momentan kleinere Übel angesehen werden, trotz Tendenzen der Regierung Bush hier rigider vorzugehen. Es wurde auch über die Internetfreiheits-Konferenz der UNO gesprochen, die unsinnigerweisse ein Tunesien stattfindet. Einem Staat, der für seine Pressefreiheit nicht gerade berühmt ist. Dass zudem die Reporter ohne Grenzen nur unter sich bleiben dürfen und somit keinen Kontakt zu den anderen Teilnehmern  aufnehmen dürfen, ist auch nicht gerade ein Beweis für die Feinfühligkeit der UNO, so Julien Pain.

Insgesamt war es eine hochinteressante und gut geführte Veranstaltung, bei der der Zuhörer sehr viele Informationen mitnehmen konnte. Ich selber sehe Weblogs nun in einem etwas anderen Licht.


Daten dieses Berichts
Bericht vom: 23.10.2005 - 23:48
Kategorie: Tagebuch
Autor dieses Berichts: Bernd Glasstetter
«« Der vorhergehende Bericht
Der nächste Bericht »»
Der Drachen zweiter Teil