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Codex Sinaiticus im Netz
Die wohl älteste erhaltene Bibelausgabe aus dem 4. Jahrhundert nach Christus unterscheidet sich deutlich von den heute gewohnten Texten, wovon sich jeder selbst überzeugen kann - wenn er das Griechisch des 4. Jahrhunderts versteht.
Die Geschichte liest sich wie ein Krimi: 1844 ist ein deutscher Theologe im Katharinenkloster am Berg Sinai im heutigen Ägypten zu Gast. Konstantin von Tischendorf sucht nach alten Handschriften und stößt dabei auf einen wahre Schatz: In der Klosterbibliothek entdeckt er ein Bibelmanuskript aus dem 4. Jahrhundert nach Christus. Auf 129 Bögen aus Ziegenleder sind Texte aus dem Alten Testament niedergeschrieben.

Wie Tischendorf das Manuskript aus dem Kloster schaffte, ist bis heute umstritten. Manche sagen, die Mönche hätten ihm erlaubt, einen Teil der Seiten für Untersuchungen mitzunehmen, andere meinen, er habe sie schlicht gestohlen. 43 Seiten jedenfalls gelangten nach Leipzig, wo sie bis heute in der Universitätsbibliothek verwahrt werden. Als Tischendorf das Kloster Jahre später wieder besuchte, wußte niemand mehr etwas über die verbliebenen Seiten. Bei einem dritten Besuch, diesmal im Auftrag des russischen Zaren, konnte der Forscher sich jedoch nicht nur die restlichen 86 Blätter, sondern noch viele weitere sichern.

Diesen Teil der Handschrift sicherte sich Tischendorfs Auftraggeber und lies sie in Sankt Petersburg aufbewahren. 1933 verkaufte die sowjetische Regierung die Blätter jedoch in einer spektakulären Transaktion an das Britische Museum in London. 100.000 Pfund, zur damaligen Zeit ein enorme Summe, hatten die britische Regierung und private Spender dafür aufgebracht. Einige Fragmente befinden sich bis heute in Sankt Petersburg. 1975 wurde im Katharinenkloster nach einem Brand eine in Vergessenheit geratene Kammer entdeckt. Darin wurden weitere 24 Blätter aus der inzwischen als Codex Sinaiticus bekannten Handschrift entdeckt.

Zusammengenommen umfasst das Manuskript knapp 1.460 Seiten. Dazu wurde eine große Menge an Ziegenleder benötigt, die sich damals nur wenige leisten konnten. Der Codex stellte also bereits bei seiner Entstehung einen enormen Wert dar. Geschrieben wurde der Text zu einer Zeit, als sich gerade erst aus einzelnen Blätter gebundene Bücher gegenüber den herkömmlichen Schriftrollen durchgesetzt hatten. Inhaltlich umfasst der Codex Sinaiticus das gesamte Neue plus Teile des Alten Testaments. Bis heute ist er der älteste Fund, der das Neue Testament vollständig enthält. Es gibt ältere Fragmente, die aber nur kleine Teile der Heiligen Schrift umfassen. Auch aus textkritischer Sicht ist der Codex Sinaiticus von enormer Bedeutung.

Solch ein Manuskript kann natürlich nicht jeder mal eben aus dem Safe nehmen und lesen. Um trotzdem möglichst vielen Menschen Zugang zu dem alten Text zu geben, haben die vier beteiligten Institutionen - The British Library in London, die Universitätsbibliothek Leipzig, das St. Katharinenkloster am Berg Sinai und die Russische Nationalbibliothek in St. Peterburg - ein Digitalisierungsprojekt gestartet.

Unter www.codexsinaiticus.org sind seit einigen Tagen 800 Seiten aus dem Codex zu sehen. In den vier Sprachen Englisch, Deutsch, Griechisch und Russisch gibt es vergrößerbare Fotos der Originalseiten, wahlweise mit Standard- oder Seitenlicht. Dazu kommt eine Transkription (Abschrift) des Textes in Vers- oder Seitenansicht sowie für manche Stellen eine Übersetzung in die vier Sprachen. Im Laufe der Zeit soll die Menge der übersetzten Teile weiter ausgebaut werden. Dabei besteht beispielsweise die Möglichkeit, sich Worte aus der Transkription im Foto der Originalseite markieren zu lassen, oder weitere Angaben zum Erhaltungszustand der Seite einzusehen. Zusätzlich können einzelne Bücher, Kapitel und Verse gezielt angesprungen werden.

Was man dabei entdeckt, weicht an einigen Stellen von den uns heute vertrauten Bibeltexten ab. Der Codex Sinaiticus enthält nicht nur die Bücher des Neuen Testaments in anderer Reihenfolge, es gibt auch zwei zusätzliche Bücher. Im Alten Testament finden sich mindestens sieben Bücher, die im heutigen Kanon nicht enthalten sind. Außerdem haben über die Jahrhunderte verschiedene Schreiber Anmerkungen und Korrekturen angebracht, bis ins 12. Jahrhundert hinein. Dabei wurden teils einzelne Buchstaben geändert, teils aber auch ganze Sätze ergänzt. Auch manche heute bekannte und theologisch wichtige Bibelstelle fehlt, beispielsweise Verse, die sich um die Auferstehung Christi drehen.

Das wirft Fragen auf für alle, die die Bibel als wortwörtliche und unveränderliche Niederschrift des Wortes Gottes betrachten. Jedem die Möglichkeit zu geben, aus dem Manuskript und seinem Inhalt seine eigenen Schlüsse zu ziehen, war einer der Gründe, das Material online zu stellen, berichtet Juan Garces, der das Projekt für die British Library betreut. "Jeser sollte sich ermuntert fühlen, seine eigenen Untersuchungen anzustellen", sagte er CNN. "Viele Gelehrte werden sich den Text ganz genau ansehen wollen, und einige Funktionen der Website sind speziell dafür - die Möglichkeit, den Text zu durchsuchen, die Möglichkeiten, ein Wort hervorheben zu lassen, die Vergrößerungsstufen sind besonders für Forscher interessant." Aber das Projekt solle für jeden zugänglich sein, "für ein wirklich breites Publikum, das neugierig ist, weil sie die Bedeutung des Codex erkennen."


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Artikel vom: 10.07.2009
Kategorie: Newsartikel
Autor dieses Artikels: Henning Kockerbeck
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